„Mosaik“ als Vorband der Inklusionsband „Station 17“

WÜRZBURG

Am 13. April in der Würzburger Posthalle

_DSC6141_052_1920Seinen Part des Soundchecks absolviert Christian Schmitt vor der Bühne. Nachher wird er hochgehievt. Wie so oft ist die Bühne nicht barrierefrei. Der Sänger der zwölfköpfigen Inklusionsband „Mosaik“ ist das gewohnt. Er nimmt?s gelassen – Hauptsache, er kommt nachher hoch. Zudem gibt es inzwischen einige tolle Locations mit zugänglicher Bühne. Zum Beispiel in der Posthalle, wo „Mosaik“ am 13. April als Vorgruppe der Hamburger Inklusionsband „Station 17“ auftreten wird.

Vor drei Jahren ging „Mosaik“ aus einem Casting mit Steffi List in den Mainfränkischen Werkstätten Würzburg hervor. Seit dieser Zeit haben sich die mehrfach behinderten Musikerinnen und Musiker gehörig gemausert. „Sie sind wesentlich selbstbewusster geworden“, sagt Peter Estenfelder vom Leitungsteam der Mainfränkischen Werkstätten, der die Band managt.

Für riesigen Auftrieb sorgte bei den Jungs und Mädels kürzlich der Sieg der finnischen Band „Pertti Kurikan Nimipaivat“ (Pertti Kurikkas Namenstage), die ihr Heimatland beim Eurovision Song Contest (ESC) im Mai in Wien vertreten werden. Man kann also auch als Inklusionsband bis an die Spitze kommen! Das stachelt die „Mosaik“-Mitglieder an.

Christian Schmitt gönnt seinen finnischen Musikerkollegen den Erfolg von Herzen. Obwohl auch er sich als Deutschland-Kandidat gewissen ESC-Hoffnungen hingegeben hatte. „Doch ich dachte mir schon, dass ich keine großen Chancen haben werde, schließlich gab es über 5000 Bewerbungen“, sagt der aus Kitzingen stammende Sänger. Immerhin erhielt sein Video im Internet eine überraschend hohe Zahl an Klicks: „Da war ich unter den ersten 100.“ Die meisten Bands, die eine Wildcard für den deutschen Vorentscheid ergattern konnten, hatten weniger Klicks als der Rollstuhlfahrer mit seiner beeindruckenden Stimme.

„Ich konnte es kaum fassen, dass die finnische Band gewonnen hat“, strahlt Drummer Bruce Gardener. Er träumt seit langem davon Musiker zu werden. Früh griff er zum Instrument: „Als Jugendlicher spielte ich in der Gemündener Trachtenkapelle Trompete.“ Zusammen mit Gemündens Star Andreas Kümmert, der damals noch ein unbeschriebenes Blatt war. Bruce und Andreas kennen sich von klein auf. Bruce nennt Andreas „meinen Freund“. Im letzten Jahr durfte er zusammen mit Kümmert auf der Bühne stehen – das war ein Wahnsinnserlebnis für ihn.

Die Band als „Familie“

Die Schule besuchte Bruce im Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg. Auch dort gab es eine Band. „New Generation“ hieß die, erzählt der Schlagzeuger. In dieser Band war auch „Mosaik“-Sänger Christian Schmitt engagiert. Das Niveau war jedoch bei weitem nicht das der Band „Mosaik“, die sich alle zwei Wochen zusammen mit Sängerin Steffi List trifft, um intensiv und hart zu proben. „Einmal in einer richtigen Band wie ,Mosaik? zu spielen, das war schon immer mein Traum gewesen“, sagt Bruce.

Warum? Was für eine Frage! „Ich möchte mich zusammen mit den anderen auf der Bühne zeigen, wir möchten, dass die Leute uns sehen, so, wie wir sind, ich möchte, dass die Leute uns zuhören und sagen: ?Wow, die haben ja richtig was drauf!?“

Oft macht Bruce frustrierende Erfahrungen. Oft fühlt er sich abschätzig behandelt. Aufgrund seiner Behinderung kann er sich nicht so bewegen, wie dies „normale“ Menschen tun: „Ich gehe halt, wie ich gehe.“ Das fällt auf. Und verführt manche Menschen zu dämlichen Kommentaren: „Ich höre, wie sie zueinander sagen: ,Guck mal, wie komisch der läuft!?“

Wenn Bruce mit seiner „Familie“, wie er die Band „Mosaik“ nennt, auf der Bühne steht, ist aller Frust vergessen. Aber auch nach den Auftritten, wenn er sich unters Publikum mischt oder im Backstage-Bereich die anderen Künstler eines Festivals oder einer Varieté-Show kennen lernt, lebt er auf. Gerade der Kontakt zu anderen Künstlern sei für die Bandmitglieder von Anfang an leicht gewesen, bestätigt Manager Peter Estenfelder: „Das liegt vielleicht daran, dass auch Künstler meistens ein bisschen ?verrückt? sind.“

Wobei sich auch die „Normalos“ zunehmend von der künstlerischen Verrücktheit der „Mosaik“-Mitglieder anstecken lassen. Das zeigt die wachsende Nachfrage nach Auftritten. Inzwischen vergeht kein Monat mehr ohne Bühnenfieber. Estenfelder: „Heuer haben wir schon 22 Auftritten zugesagt.“ Dabei hat das Jahr gerade erst angefangen.

Das Posthallen-Konzert mit der 1988 von Bewohnern der Wohngruppe 17 der Evangelischen Stiftung Alsterdorf gegründeten Inklusionsband „Station 17“ und der Würzburger Band „Mosaik“ beginnt am 13. April um 20 Uhr.

Pat Christ

Let’s Rock

Mosaik feat. Steffi List begeisterten mit ihrem Auftritt rund 130 Zuschauer

 

Ochsenfurt
Seit März 2002 organisieren die Mitglieder des Fördervereins der Mainfränkischen Werkstätten regelmäßig Veranstaltungen, um Spenden zu akquirieren. Diese werden anschließend zur Finanzierung besonderer Maßnahmen der Mainfränkischen Werkstätten verwendet. So wurden in der Vergangenheit unter anderem Tanzkurse, Fitness- und Ernährungsprogramme oder auch Musiktherapien für die Werkstattmitarbeiter finanziert.

Am vergangenen Sonntagwar es wieder soweit: der Förderverein lud zu einem Nachmittag in die Mainfränkischen Werkstätten nach Ochsenfurt. Mit dabei waren auch Mosaik feat. Steffi List. Dabei kamen bei den Bandmitgliedern alte Erinnerungen hoch. „Es ist schön hier zu spielen, wo alles begann“, erklärte Antje Arlit von der Band Mosaik. In Ochsenfurt fand das erste Casting von „Mainfränkische Werkstätten sucht den Superstar“ statt und mit dem Vorsingen von Manuel und Christian wurde damals der Grundstein für die Band Mosaik gelegt.

In der Zwischenzeit hatten die Musiker bereits viele Konzerte gespielt und das bekamen auch eingefleischte Fans zu spüren. „Es ist Wahnsinn, wie professionell sie mittlerweile alle auf der Bühne stehen. Da ist nichts mehr von der anfänglichen Unsicherheit“, meinte Marlies Estenfelder. Zwei Stunden lang begeisterten Mosaik die rund 130 Zuschauer, denen es keine Sekunde langweilig wurde. Mal konnte zu Songs wie „Nessaja“ oder dem eigens komponierten Lied „Brücken bauen“ mitgesungen, mal zu Elvis gerockt und mal zur Freestyle Hip Hop Nummer von Sänger Freddy mitgewippt werden.

Der riesen Erfolg des Auftritts freute auch Werkstattleiter Martin Lorenz, der die Band gleich für die Veranstaltung im nächsten Jahr verpflichtete: „Ich würde mich riesig freuen, euch nächstes Mal wieder hier begrüßen zu dürfen.“

Bericht & Fotos: Mareike Matz

„Lieber Bühne als Büro“, sagt Steffi List

Steffi List2007 sang die Geldersheimerin bei Stefan Raabs Casting-Show. Heute spielt dieSteffi List hat geschafft, was nicht vielen Künstlern gelingt – die Sängerin und Komponistin lebt von der Musik. Mit daran schuld ist Stefan Raab, der Show-Titan von ProSieben.

Vor beinahe fünf Jahren hat List in seiner Casting-Show „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“ den dritten Platz gemacht und damit deutschlandweite Bekanntheit erlangt. Davon profitiert die 37-Jährige bis heute – auch wenn der ganz große Durchbruch ausgeblieben ist.

Steffi List liebt einfach die Musik und die Show auf der Bühne. Ihr Erfolgsrezept ist, dass sie keine Berührungsängste mit Festzelten und Möbelhauseröffnungen hat. Sie findet nichts Schlechtes daran, mit ihrer Coverband den Menschen eine Freude zu machen. Immer noch als Notargehilfin zu arbeiten, wie sie es einmal gelernt hat, das wäre der Horror. So lange es mit Musik zu tun hat, ist es gut.

„Ich würde jedem Künstler raten, bei einer Castingshow mitzumachen – einfach um Bekanntheit zu erlangen.“Steffi List

Sie singt in der Coverband, tritt als Unplugged-Trio auf, und macht ihr eigenes Ding. Drei Alben mit Musik aus ihrer Feder hat sie schon veröffentlicht. In der Schweinfurter Szene ist sie durch allerhand Band-Mitgliedschaften seit Jahren ein Begriff. Etwa 100 Konzerte spielt sie im Jahr. Und das alles läuft ohne große Plattenfirma, ohne Riesen-Vertrieb im Rücken, ohne Werbepower.

Ein bisschen anders hatte sie sich das nach dem Erfolg bei Stefan Raab schon erhofft. „Ich dachte, nach der Show kommt was“, sagt sie, „aber keiner der Zweit- bis Viertplatzierten ist je von einer Plattenfirma angesprochen worden.“ Fast ein Jahr nach dem TV-Finale hätte sie sich gedacht, „irgendwas musst du machen“. Sie wollte endlich mit eigenen Songs loslegen.

Bei Hemul Records in Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) produzierte sie schließlich das erste eigene Album, damals noch auf Englisch. Mittlerweile singt Steffi List auf Deutsch. „Viele haben mir dazu geraten“, sagt sie. Ein bisschen ungewohnt ist das noch, eine Herausforderung. List findet: „Die Schwelle zum Schlager ist nicht hoch.“

Trotz, dass aus List bislang kein Superstar geworden ist: Die Teilnahme an „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“ bereut sie überhaupt nicht. „Ich würde jedem Künstler raten, bei einer Castingshow mitzumachen – einfach um Bekanntheit zu erlangen.“ Bei Raab habe sie sich immer fair behandelt gefühlt. Aber natürlich müsse man auch mit dem Absturz nach dem Finale rechnen. Und, mit Blick auf viele Casting-Formate, meint sie: Wenn man gewinnt, müsse man das Spiel dann auch mitspielen.

Das muss List heute nicht. Die Texte zu ihrer Musik stammen zumeist von ihrer Freundin Julia Derleder. Dass sie lesbisch ist, daraus macht sie weder ein Geheimnis, noch ein großes Thema. Ihre häufigen Auftritte bei „Frauen-Partys“ oder beim Christopher Street Day erklärt sie nicht mit ihrer Homosexualität, sondern damit, „dass die beim CSD gerne Leute aus dem Fernsehen nehmen“.

„Keiner der Zweit- bis Viertplatzierten ist je von einer Plattenfirma angesprochen worden.“Steffi List

List sagt entspannt: „Ich bin keine Aktivistin.“Wenn es allerdings um behinderte Menschen oder benachteiligte Kinder geht, wird List doch zur Aktivistin. Sie engagiert sich für die Schweinfurter Kindertafel. Zusammen mit Behinderten aus den Mainfränkischen Werkstätten hat sie die Band „Mosaik“. Entstanden ist das ehrenamtliche Projekt aus einem Wettbewerb der Behinderten-Organisation: MFWSDS – Mainfränkische Werkstätten sucht den Superstar. List war Mitglied der Jury, quasi ein netter Dieter Bohlen.

„Das hat mich total berührt“, sagt die Geldersheimerin. Nach dem Finale von MFWSDS entstand „Mosaik“. Die Band tritt bei Veranstaltungen der Einrichtungen, aber zum Beispiel auch bei der „Nacht der Toleranz“ in Grafenrheinfeld auf. Die Songauswahl ist bei „Mosaik“ demokratisch – für die Band opfert der Fan der Metal-Band Korn nicht nur seine Freizeit, sonders singt sogar mal was von Xavier Naidoo.

Quelle: MainPost, Nike Bodenbach

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